Antrag "Verbesserungen des Unterhaltsvorschussgesetzes nicht auf Kosten der Stadt Grevenbroich herbeiführen"
Verbesserungen des Unterhaltsvorschussgesetzes nicht auf Kosten der Stadt Grevenbroich herbeiführen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Krützen,
die FDP-Fraktion im Rat der Stadt Grevenbroich bittet Sie, nachfolgende Resolution auf die Tagesordnung zur nächsten Sitzung des Rates der Stadt Grevenbroich zu setzen:
„Der Rat der Stadt Grevenbroich begrüßt grundsätzlich die politische Absicht auf Bundesebene, alleinerziehende Eltern, die von säumigen Unterhaltszahlungen betroffen sind, zu entlasten. Dazu fordert der Rat der Stadt Grevenbroich Bund und Land auf, alle aus den beabsichtigten Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes resultierenden Mehrkosten für die Stadt Grevenbroich vollumfänglich zu erstatten. Der Rat der Stadt Grevenbroich fordert Bund und Land gleichzeitig mit Nachdruck auf darauf hinzuwirken, dass das Gesetz nicht bereits, wie derzeit noch vorgesehen, zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt.“
Begründung:
Im Rahmen der abschließenden Einigung zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vom 14. Oktober 2016 haben sich die Regierungschefs der Länder und der Bund unter anderem darauf verständigt, dass die derzeit gültige Altersgrenze bei Unterhaltsvorschusszahlungen von zwölf Jahren aufgehoben wird. Deshalb wird der potenzielle Bezugsrahmen zukünftig von der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Kinder gelten. Denn auch die derzeit bestehende Befristung von maximal 72 Monaten soll aufgehoben werden.
Aktuelle Berechnungen des Landkreistags Nordrhein-Westfalen gehen nach entsprechenden Rückmeldungen aus ihren Mitgliedskommunen bei einer vorsichtigen Betrachtung mindestens von einer Verdopplung der Fallzahlen aus. Der Kreis Euskirchen geht mit etwa 112 Prozent sogar von einer noch höheren Fallzahlsteigerung aus.
Es ist richtig, alleinerziehende Eltern, die von säumigen Unterhaltszahlungen betroffen sind, zu entlasten. Die beabsichtigten Änderungen drohen in der jetzigen Ausgestaltung jedoch in einem administrativen Kollaps in den Kommunalverwaltungen zu enden. Sie führen darüber hinaus zu einer massiven finanziellen Mehrbelastung der Stadt Grevenbroich, ohne den Adressatenkreis der alleinerziehenden Eltern wirkungsvoll zu entlasten. Denn der Unterhaltsvorschuss hat Vorrang gegenüber Bezügen des SGB-II-Regelsatzes. Etwa 85 Prozent derjenigen Familien, die Unterhaltsvorschusszahlungen erhalten, erhalten gleichzeitig auch Leistungen nach SGB-II. Im Ergebnis führt das dazu, dass dieser Personenkreis keinerlei Verbesserung erfahren würde und die bereits vom Bundesrechnungshof kritisierte Doppelbürokratie zwischen Jobcentern und kommunalen Unterhaltsvorschussgesetz-Stellen noch weiter ausgebaut würde.
Im Jahr 2015 haben 407 Personen in der Stadt Grevenbroich Leistungen aufgrund des Unterhaltsvorschussgesetzes bezogen (vgl. Neuß-Grevenbroicher-Zeitung, 23. Februar 2016). Die dadurch entstehenden Kosten werden nach § 8 Abs. 1 Unterhaltsvorschussgesetz zu einem Drittel durch den Bund und zu zwei Dritteln durch die Länder getragen. Die Länder haben die Möglichkeit, ihre Kosten anteilig an die Kommunen weiterzugeben. Das Land Nordrhein-Westfalen reicht gemäß dem Gesetz zur Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes aktuell 80 Prozent seiner zu tragenden Kosten an die Kommunen weiter. Nordrhein-Westfalen liegt damit bundesweit an der Spitze der Kostenweiterleitung an die kommunale Familie. Die Länder Bayern, Schleswig-Holstein und Brandenburg übernehmen die Kosten in voller Höhe und belasten die Kommunen nicht. Unsere Nachbarbundesländer Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz überwälzen die Lasten in einem deutlich geringeren Umfang als es das Land Nordrhein-Westfalen macht. Im Bundesdurchschnitt beteiligen sich die Kommunen mit etwa 24,5% an den Landesgesamtaufwendungen.
Die Kommunen haben zwar das Recht, das Geld von zahlungssäumigen Elternteilen zurück zu fordern. Jedoch gelingt dies aktuell nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen nur in 20 Prozent der Fälle. In 80 Prozent der Fälle bleiben die Kommunen damit de facto auf den Kosten der Unterhaltsvorschusszahlungen sitzen. Dadurch wurde der Haushalt der Stadt Grevenbroich im letzten Jahr mit 348.700 Euro belastet (vgl. Neuß-Grevenbroicher-Zeitung, 23. Februar 2016).
Würden die geplanten Änderungen gemäß dem Bundeskabinettsbeschluss vom 16. November 2016 umgesetzt, wäre der Bundeshaushalt einziger Gewinner. Denn auf der Datengrundlage des Fraunhofer Instituts ist bei den SGB II-Regelleistungen mit einer Entlastung des Bundeshaushaltes in Höhe von 690 Millionen Euro zu rechnen. Demgegenüber stünden voraussichtlich Mehrbelastungen der kommunalen Unterhaltsvorschusskassen in Höhe von 790 Millionen Euro.
Mit dem von der großen Koalition avisierten parlamentarischen Eilverfahren wird die Stadt Grevenbroich zudem einer administrativen Überforderung ausgeliefert. Würde dieser Zeitplan eingehalten, bliebe der Stadt Grevenbroich nach Verkündung des Gesetzes nicht einmal ein Monat Zeit, um die Verwaltung auf die Auswirkungen der Gesetzesänderung entsprechend vorzubereiten. Weder ist es in der Kürze der Zeit möglich, Personal umzustrukturieren oder neues Personal einzustellen und die räumlichen Kapazitäten zu organisieren, noch die Software an die neue Rechtslage anzupassen. In Folge dessen wären einerseits die Bürgerinnen und Bürger durch den schlecht organisiert wirkenden Verwaltungsservice frustriert, andererseits aber auch die Verwaltungsmitarbeiter, weil sie in kürzester Zeit doppelt so viele Fälle
zu bearbeiten hätten.
Denn es ist nach wie vor von der Bundesregierung geplant, das Gesetz bereits zum 1. Januar 2017 in Kraft treten zu lassen. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss liegt vor. Der Deutsche Bundestag sollte die angedachten Änderungen ursprünglich bereits in der vergangenen Sitzungswoche des Deutschen Bundestages vom 21. bis 25. November 2016 beschließen. Aufgrund der gravierenden Auswirkungen für die Kommunen hat der Bundestag diesen Tagesordnungspunkt jedoch in der letzten Sitzungswoche zunächst von der Tagesordnung genommen. Ungeachtet dessen möchte die zuständige Fachministerin das Gesetz noch in diesem Jahr verabschieden: „Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hält noch in diesem Jahr eine Einigung über einen verbesserten Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende für möglich. Dazu müsse mit den Ländern und Kommunen zügig weiter verhandelt werden, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag im Bundestag“ (DPA, 24. November 2016). Der Deutsche Bundestag kommt vom 12. Dezember bis 16. Dezember 2016 zu seiner letzten geplanten Sitzungswoche in diesem Jahr zusammen. Der Bundesrat kommt ebenfalls am 16. Dezember 2016 zu seiner letzten Sitzung des Jahres zusammen.
Aufgrund des oben beschriebenen drohenden Kommunalkollapses in administrativer wie finanzieller Hinsicht ist es angebracht deutlich zu machen, dass sozialpolitisch avisierte Entlastungen von Bund und Land zwar grundsätzlich vom Rat der Stadt Grevenbroich begrüßt werden. Jedoch muss die vollständige Finanzierung zwingend auch durch den Bund und/oder das Land erfolgen. Denn durch immer weitere Aufgabenverbreiterung durch Bundes- und/oder Landesgesetzgebung und damit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen der Stadt Grevenbroich, werden die ernsthaften Bemühungen der Haushaltskonsolidierung der Stadt Grevenbroich konterkariert. Das Konnexitätsprinzip muss vollumfänglich beachtet werden, damit das Haushaltssicherungskonzept auf verlässlicher Basis eingehalten werden kann. Allein das ist ein enormer Kraftakt für den Rat der Stadt Grevenbroich!
Mit freundlichen Grüßen
Markus Schumacher
Fraktionsvorsitzender