Haushaltsrede 2019
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Krützen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Damen, meine Herren,
ganz herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Grevenbroich und an die Angestellten der städtischen Tochtergesellschaften. Sie alle tragen durch ihren wertvollen Einsatz jeden Tag dazu bei, dass die Lebensqualität in unserer Stadt immer besser wird. Es ist mir für uns Freie Demokraten ein besonderes Anliegen, das gleich zu Beginn meiner wenigen Worte hier zum Haushalt zum Ausdruck zu bringen. Sie haben es oft nicht leicht und sehen sich unberechtigter und unkonkreter Kritik ausgesetzt. Trotzdem bleiben Sie zumeist freundlich und verbindlich im Ton. Davor habe ich Hochachtung.
Das mit dem Aushalten und Ertragen ungerechtfertigter Kritik ist eine Frage des Umgangs und des Respekts eines jeden Einzelnen. Und die Summe aller individuellen Verhaltensweisen bestimmt den gesellschaftlichen Respekt unserer gesamten Gesellschaft untereinander.
Auch wir Politiker im Rat werden jeden Tag mit Kritik konfrontiert. Viele Menschen ignorieren Politik, informieren sich nicht über die Rahmenbedingungen oder die unterschiedlichen grundsätzlichen Wertvorstellungen der politischen Parteien. Da wird zum Teil über „die Politik“ als eine „geschlossene Klasse“ hergezogen. Das ist bedauerlich und macht mir Sorgen. Eine Gesellschaft ist dann stark, wenn die politische Mitte stark ist. Und das ist sie zusehends nicht mehr! Die politischen Extreme erstarken. Das muss uns alle Wachrütteln!
Politische Initiativen müssen daher immer konkret und verbindlich sein. Wir müssen vermitteln, warum wir was tun oder unterlassen. Das ist viel Arbeit, die wir – ich denke, da darf ich im Namen aller hier sprechen – gerne machen. Und wir müssen unsere Worte genau wählen, wenn wir die Gesellschaft zusammenhalten wollen. Sonst droht sie zu einer gespaltenen Gesellschaft zu werden. Meine Worte wollen deutlich machen, dass wir in der Sache hart streiten müssen, aber fair im Umgang.
Sie, Herr Bürgermeister Krützen, haben mich mit Ihrer Einbringungsrede zum Haushalt ein Stück weit fassungslos gemacht. Ihre Worte waren zu undifferenziert gewählt und haben versucht, ein Zerrbild zwischen „dem Rat“ und „der Verwaltung“ zu kreieren. Denn es gibt nicht „den Rat“. Es gibt hier 50 Bürgerinnen und Bürger, die sich aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlichen Hintergründen und Begabungen zum Wohle ihrer Heimat engagieren. Das verdient auch Ihrerseits Respekt und Anerkennung, lieber Herr Krützen. Sie haben sich in den hier vorgetragenen Worten zum Teil eines Wortschatzes bedient, der Ihrer Rolle als Bürgermeister nicht angemessen ist. Auch Ihr Vorwurf, der Rat sei nicht bereit, unbequeme Entscheidungen zu treffen, ist schlicht unzutreffend.
Sie haben suggeriert, Sie würden sparen wollen und der Rat sei nicht bereit, mutig voranzugehen! Ihre Worte haben den Eindruck erweckt, als dass Sie das Gegenteil machen wollen von dem, was Ihr Parteifreund und unser aller Bundespräsident Johannes Rau zu seinem Lebensmotto gemacht hatte: „Versöhnen statt spalten“. Ihre Wortwahl hatte Spaltpotenzial! Zum Glück hat sich der Rat nicht auseinanderdividieren lassen und stattdessen lösungsorientiert diskutiert.
Herr Bürgermeister,
Ihre Rede hat viele Kolleginnen und Kollegen vor den Kopf gestoßen, weil sie sich stets korrekt und freundlich verhalten hatten und sich nun fragen, ob Ihr abstrakter Vorwurf auch auf sie zutrifft. Ich halte das für stillos und anmaßend. Wenn es konkreten Bedarf dafür gibt und sich jemand aus unseren Reihen nicht benimmt, machen Sie vom Instrument der Rüge Gebrauch!
Das ist demokratiefördernd, konkret, zielgerichtet und sieht unsere Geschäftsordnung auch explizit so vor. Das ist ein Kritikpunkt, den ich ganz konkret an Sie persönlich adressiere.
Übrigens entspricht Ihr öffentlich zugängliches Redemanuskript meiner Meinung nach nicht den tatsächlichen Worten, die hier gesprochen wurden. Und meiner vorgetragenen Bitte, ein Wortprotokoll zu liefern, sind Sie nicht nachgekommen. Haben Sie etwa im Nachhinein ebenfalls gemerkt, dass Sie deutlich über das Ziel hinausgeschossen sind?
Herr Bürgermeister,
Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit sind zentrale Merkmale eines seriösen Politikers. Und hier komme ich zur zweiten persönlichen Kritik an Sie. Das Neukirchener Bad musste laut Sanierungsplan geschlossen werden, so traurig es auch ist.
Und in ihrer Einbringungsrede zum hier vorliegenden Zahlenwerk haben Sie sich als Sparer in Szene gesetzt. Nur wenige Tage nach dieser bemerkenswerten Rede konnten wir dann alle in der Tageszeitung sinngemäß lesen, dass der Bürgermeister das Bad in seinem Heimatort Neukirchen rettet und es aus dem Haushaltssicherungskonzept herausgenommen wird. Die Stadt zahlt nun weiter jährlich 60.000 Euro als Zuschuss! Das ist vielleicht dem Verhalten eines direkt gewählten Ratsherrn oder Ratsfrau angemessen. Aber dieses Vorgehen ist unangemessen für einen Bürgermeister, der hier die Interessen aller 32 Grevenbroicher Ortsteile abwägen muss. Ihr Verhalten macht sie unglaubwürdig.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Freien Demokraten sind die Impulsgeber der Digitalisierung unserer Stadt. Die Mehrheit aller öffentlich sichtbaren Digitalisierungsbemühungen in unserer Stadt kommt aus unserer Feder. Herzlich möchte ich allen Fraktionen danken, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und unseren Anträgen hinsichtlich der vollständigen Digitalisierung des Fachbereichs Finanzen zugestimmt haben. Frau Stirken-Hohmann wünsche ich viel Erfolg bei dem wichtigen Vorhaben, dass den Menschen innerhalb und außerhalb der Verwaltung Nutzen bringen wird. Und wegen des Nutzens für die Menschen ist die vollständige Digitalisierung auch so erstrebenswert. Denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck.
Ebenso danke ich für den einstimmigen Beschluss des Rates, die verbesserte Nutzung der Digitalisierung der Ratsarbeit zu forcieren und zu fördern. Sie, Herr Bürgermeister verstehen sich nicht als oberster Treiber der Digitalisierung. Das haben Sie in diesem Jahr schriftlich auf unsere Nachfrage klar gemacht. Und das deckt sich auch mit den Gesprächen, die ich mit den Mitarbeitern aus der Verwaltung führe. Digitalisierung ist keine Chefsache. Sie muss es aber werden. Stattdessen vertrösten Sie uns seit Monaten bei diesem Thema! Da kommt Ihrerseits bisher nichts.
Umso gespannter warte ich auf die angekündigte sogenannte Sondersitzung des HFDA im kommenden Jahr, wo Sie die Digitalisierung einmal zu einem Schwerpunktthema machen wollen. Wir fordern Sie auf, sich mit der digitalen Modellkommune in unserem Regierungsbezirk zu vernetzen; suchen Sie den Austausch und Kontakt zu den Vorreitern. Davon können wir lernen und profitieren. Sorgen Sie dafür, dass eine Kultur der Digitalisierung in der Verwaltung Einzug hält. Das hebt sehr viele Synergieeffekte, die zu dauerhaften Kosteneinsparungen und gleichzeitig ein ganz neues Serviceerlebnis für die Bürger schafft.
Das Ziel der Freien Demokraten für unsere Stadt ist klar: Wir wollen das digitale Bürgerbüro so früh wie möglich haben. Kein Bürger soll sich mehr einen Tag Urlaub nehmen müssen, um einen neuen Personalausweis zu beantragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen erklären, warum wir etwas tun oder unterlassen: Die FDP Fraktion stimmt dem Haushalt heute trotz nach wie vor unbefriedigender finanzieller Gesamtsituation zu. Weil wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Die von uns eingebrachten Haushaltsanträge haben eine Mehrheit im Rat gefunden. Dafür noch einmal Danke an die Kolleginnen und Kollegen für diese aktive Mitgestaltung. Den größten Einsparbeitrag in den diesjährigen Haushaltsberatungen lieferte die pauschale Kürzung um drei Prozent aller Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen. Es war unser Antrag, den die Sozialdemokraten und Sie, Herr Bürgermeister, abgelehnt haben. Waren es nicht Sie, der uns als Rat vorgeworfen hat, wir würden nicht bereit sein, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen?
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich komme zum Schluss: Wir Freie Demokraten haben das Gefühl, dass im Rat eine Mehrheit bereit ist, konstruktiv zu gestalten und die Ideen für eine moderne Verwaltung und lebenswerte Stadt aufgreift. Mit Freude warten wir auch auf die Verabschiedung des neuen Leitbildes. Eine langjährige Forderung der FDP, die im kommenden Jahr umgesetzt wird. Dieses Leitbild ist wichtig für eine gesunde Entwicklung unserer Stadt. Etwas, was mit dem nahenden Ende der Braunkohle wichtiger denn je geworden ist.
Lieber Herr Bürgermeister,
bitte fassen Sie die geäußerte Kritik als konstruktive Kritik auf.
Ich wünsche Ihnen friedvolle und besinnliche Weihnachtstage! Kommen Sie gut ins neue Jahr. Ich freue mich, wenn wir uns im Januar gesund hier wiedersehen, weiter anpacken und Ideen einbringen.
Markus Schumacher
Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Grevenbroich